Deutschlands Energieminister Robert Habeck diskutiert beim Rat der Energieminister mit seinen Kollegen Rob Jetten aus den Niederlanden und Frankreichs Agnès Pannier-Runacher.

Foto: AP

Seit Monaten wurde zwischen EU-Ländern und der Kommission gerungen, nun gibt es eine Einigung. Die Energieminister der 27 EU-Staaten haben sich am Montag auf die Einführung einer Gaspreisbremse geeinigt. Erstmals wird in der Union damit ein Korrekturmechanismus für Gas eingeführt.

Das System dient zwar nicht dazu, den Gaspreis auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg abzusenken, könnte aber wohl dramatische Preisspitzen, wie es sie zuletzt im Sommer gegeben hat, künftig vermeiden. Österreich hat sich in der Abstimmung zum neuen Instrument enthalten.

Das Modell soll in erster Linie für die virtuelle Handelsplattform TTF gelten. Das ist der wichtigste Handelsmarkt für Gas in Europa, vor allem Flüssiggas wird hier verkauft. Um die Frage, bei welcher Preisgrenze der Mechanismus aktiviert werden soll, wurde lange diskutiert. Vorgesehen ist nun, dass die Preisbremse aktiviert wird, wenn der Gaspreis drei Tage über dem Wert von 180 Euro pro Megawattstunde liegt. Der aktuelle Gaspreis für Lieferungen im Jänner liegt darunter, bei um die 115 Euro. Derzeit würde also der Mechanismus nicht greifen.

Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine höhere Preisgrenze vorgeschlagen, 275 Euro. Das haben viele Länder als viel zu hoch empfunden. Das System kann ab 15. Februar 2023 zum Einsatz kommen. Da die Regelung in Form einer Notverordnung in Kraft tritt, hat das EU-Parlament kein Mitspracherecht.

Neben dem Preisanstieg über 180 Euro ist die zweite Vorgabe, dass der Korrekturmechanismus nur dann zum Einsatz kommt, wenn der Gaspreis um 35 Euro über dem Referenzpreis für Flüssiggas liegt.

Sind beide Bedingungen erfüllt, greift die Bremse: Für den Rohstoff wird dann ein Preis angesetzt, der jenem für Flüssiggas am Weltmarkt plus maximal 35 Euro entspricht. Es gibt also keinen fixen Gaspreis, sondern einen dynamischen. Wird es am Weltmarkt teurer, nimmt auch der Preis in Europa zu. Allerdings nicht unbegrenzt.

Furcht vor russischen Gegenmaßnahmen

Grund für Österreichs Enthaltung war, dass nun auch, anders als im ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission vorgesehen, andere Handelsplätze als der TTF in die Regelung einbezogen werden. Das könnte Russland als Vorwand nutzen, um Gaslieferverträge zu kündigen, wird in Regierungskreisen befürchtet.

Österreich, konkret die OMV, hat langfristige Lieferverträge mit Russland. Die Details dieser Regelungen werden nicht veröffentlich. Allerdings wird vermutet, dass es in den Verträgen mit der Gasprom Bindungen an andere Gaspreisindizes gibt. In Wien etwa gibt es den Central European Gas Hub, eine eigene Handelsplattform. Nun gilt die Gaspreisbremse auch für diese Plattform.

Diese Ausweitung der Gaspreisbremse auf andere Plattformen "kann auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben. Das gilt gerade für Österreich. Auch wenn wir uns in großen Schritten von der russischen Abhängigkeit lösen, brauchen wir diese Lieferungen aktuell noch. Hier werden wir der EU-Kommission bei der Umsetzung genau auf die Finger schauen, damit eben beides erreicht wird. Günstige Preise und sichere Versorgung", kommentierte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne).

"Intellektuelle Verrenkungen"

Wie bewerten Experten die Gaspreisbremse? "Das Instrument ist nicht geeignet, den Gaspreis nachhaltig zu reduzieren", sagt Wolfgang Urbantschitsch, Chef der Regulierungsbehörde E-Control. Das wichtigste Instrument dafür sei, Abhängigkeit zu reduzieren, also Energie einzusparen und erneuerbare Energiequellen ausbauen.

Solche Preissprünge wie im August 2022, als mehrere ungünstige Faktoren zusammenkamen, darunter die steigende Unsicherheit über die weitere Versorgung und der Wunsch vieler Staaten, ihre Gasspeicher zu füllen, sollten sich aber verhindern lassen, so Urbantschitsch. Warum dann die Preisobergrenzen nicht gleich niedriger definieren und damit für dauerhaft tiefere Preise sorgen?

"Natürlich kann man da noch an Stellschrauben drehen. Aber Bedenken bleiben ja, dass je mehr die Preise über so einen Mechanismus gesenkt werden, umso eher die Chance steigt, dass mein Gegenüber sagt: Ich verkaufe das Gas nicht mehr in Europa, sondern woanders." Das treffe auf Russland genauso zu wie auf Norwegen und andere Lieferländer.

Deutliche Kritik an der Regelung kommt von Ex-Bundeskanzler und Ex-Verbund-Vorstand Christian Kern. Sein Argument geht so: Um eine Megawattstunde Strom zu erzeugen, sind zwei Megawattstunden Gas nötig. Bei 180 Euro Preisobergrenze plus dem aktuellen Preis für die CO2-Zertifikate, die laut Vorgaben benötigt werden, um Gas zu verstromen, ergebe sich dadurch, dass die Union bereit sei, einen Strompreis von fast 440 Euro je Megawattstunde zu akzeptieren. "Damit akzeptieren wir zehnmal höhere Preise als in den USA", so Kern.

Die neue Regelung "ist geeignet, um eine komplette Auslöschung von Europas Wirtschaft zu verhindern". Doch bei den hohen Strom- und Gaspreisen in Europa sei der Schaden für Unternehmen und Gesellschaft enorm. Statt "intellektuelle Verrenkungen" mit Gaspreisdeckeln durchzuführen, sei es notwendig, den Gaspreis staatlich zu subventionieren und damit die Kosten bei der Stromerzeugung zu senken, so Kern.

Energieministerin: Kombination der Maßnahmen kann Preise senken

Und welches Potenzial sieht die Energieministerin in der neuen Regelung? Leonore Gewessler spricht von "wichtigen Entscheidungen", die beim Rat in Brüssel getroffen wurden. Neben der Gaspreisbremse haben sich die EU-Staaten auch für einen gemeinsamen Gaseinkauf ausgesprochen. Künftig soll Europa jene Menge, die dem Füllstand von 15 Prozent der Gasspeicher entspricht, gemeinsam einkaufen. Dafür gibt es nun den notwendigen Rechtsakt, die EU-Kommission wird den Einkauf vorbereiten.

Durch den gemeinsamen Einkauf soll die EU mehr Marktmacht in die Verhandlungen einbringen.

Weiters gibt es eine neue Regelung, die Preisspekulation verhindern soll: Künftig kann der Handel an Gasmärkten ausgesetzt werden, wenn nur kleine Mengen gehandelt werden, aber dies zu großen Preissprüngen führt. Das soll die europäische Finanzmarktaufsicht überwachen.

Die Kombination aus Preisgrenze, gemeinsamem Einkauf und Regeln gegen die Spekulation hätten das Potenzial, die Gaspreise in Europa zu senken, so Gewessler. (András Szigetvari, 19.12.2022)